Kulinarisches

Wer Lust bekommen hat, die Rezepte aus dem Roman Hanseaten-Mord nachzukochen und eine Schälanleitung für die Krabben vermisst hat: hier ist sie und darüber hinaus ein Text, der über die leckeren Meerestiere informiert und den kleinen Dingern einen (korrekten) Namen gibt.

Sandgarnelen

Es soll Menschen geben, die gerade wegen der Sandgarnele an der Nordseeküste ihren Urlaub verbringen. Ohne sie ist für einige Nordseefans der Nordseeurlaub nicht perfekt.

Der hohe Himmel und die weiten, grünen Marschenwiesen an der Küste, das Wechselspiel der Gezeiten, die faszinierende Wattenlandschaft mit der Sinfonie der Küstenvögel, das maritime Flair in den kleinen Häfen und Küstenbadeorten und natürlich die norddeutsche Küche, die zu einem Nordseeurlaub gehört, spielen nur eine zweitrangige Rolle; bis auf eine kulinarische Ausnahme.

Ein schwedisches Sprichwort lautet: „Ein liebes Kind hat viele Namen“. Die Nordseegarnele (lat. Crangon Crangon) wird häufig falsch als Krabbe oder gar als Shrimps bezeichnet. Wobei die Krabbe ein völlig anderes Tier ist. Es handelt sich dabei um den eher von der Form her runden und weitaus größeren Krebs, mit hartem Panzer und zwei wehrhaften Scheren.

Shrimps, Tiger Prawns, Gambas oder Crevetten sind nur internationale Größen-Bezeichnungen für den Handel und die Gastronomie, zoologisch handelt es sich um die Garnele, die sich lediglich zwischen Kalt- und Warmwassergarnelen unterscheidet. Nur die Scampis sind keine Garnelen, sondern kleine Hummer, in Deutschland werden sie auch „Kaisergranat“ genannt.

An der deutschen Nordseeküste wird die Sandgarnele überwiegend als Granat oder Nordsee-Krabbe angeboten, in Schleswig-Holstein wird sie auch Porre genannt. Der Begriff Sandgarnele taucht nicht auf. Es würden sich wohl kaum „Sandgarnelen-Brötchen“ vermarkten lassen. Wie kommt nun die Garnele aufs Brötchen oder zum Rührei?

In der warmen Jahreszeit leben die Sandgarnelen im Wattenmeer. Erst im Herbst wandern sie ins Tiefwasser ab, weil hier die Wassertemperatur konstanter ist. Junge Garnelen ernähren sich von Plankton und schweben im Wasser. Sie wachsen schnell, einjährige Garnelen sind schon 4 cm groß. In diesem Alter leben sie auf dem Meeresgrund und sind Allesfresser. Ihre langen Fühler am Kopf sind mit Geruchssensoren ausgestattet, mit denen sie Futter im trüben Wattwasser besser riechen als sehen können.

Wenn die Garnele nicht im Netz eines Krabbenkutters landet, kann sie ein Alter von 3 Jahren erreichen. Die Männchen sind dann ca. 6 cm und die Weibchen ca. 8,5 cm groß. Mit drei Jahren kann ein Sandgarnelenweibchen bis zu 30.000 Eier produzieren, die es ca. 2 Monaten gut geschützt unter ihrem Schwanz mit sich herumträgt bis die kleinen Garnelen ausschlüpfen und im Wasser zunächst als Plankton treiben und sich von diesem ernähren.

Gefangen werden Sandgarnelen mit einem Schleppnetz, das an beiden Seiten von den Krabbenkuttern über den Meeres- bzw. Wattengrund gezogen wird. Das Schleppnetz ist tütenförmig und sehr feinmaschig. Vor dem Netz wird ein Rollengeschirr über den Grund geführt, das die Garnelen aufschreckt, sie schwimmen auf und landen durch den Sog im Netz. Nach ca. 2 Stunden werden die Netze mit Hilfe der beiden seitlichen ca. 6 bis 9 m langen Netzbäume an Bord geholt. Der Fang landet auf einer flachen Sortierwanne. Der Beifang, das sind kleine Fische und Krebse, geht gleich wieder über Bord. Das ist auch der Grund, warum immer ein gieriger Möwenschwarm die Krabbenkutter verfolgt.

Sofort nach dem Sortieren werden die Krabben in Wasser gekocht. Das geschieht in großen Kesseln direkt an Bord. Sie verlieren damit nicht nur ihr Leben, sondern auch die tarnende Sandfarbe und werden bräunlich rosa mit gekrümmtem Hinterleib. In Kisten zu je ca. 20 Kilo gestapelt werden sie – oft schon direkt vom Kutter – verkauft. Der größte Teil geht in den Handel und zur Gastronomie. An der niedersächsischen Nordseeküste in Butjadingen werden ca. 500 t Sandgarnelen pro Jahr gefangen.

Um in den Genuss des typischen salzig, würzigen Nordsee-Granat-Geschmack zu kommen, muss die Garnele von ihrem schützenden Panzer befreit werden. Routinierte, geübte Krabbenpuler schaffen bis zu 4 kg in der Stunde, wobei von einem Kilo Granat mehr als die Hälfte an Schalen abfällt. Da die bisher konstruierten Krabbenpulmaschinen nicht befriedigend arbeiten und nicht die menschliche Fingerfertigkeit ersetzen können und die Hygienevorschriften in Deutschland das Krabbenpulen in Heimarbeit nicht zu lassen, ist der Großhandel, insbesondere die holländische Konkurrenz, dazu übergegangen, die Garnelen per Kühl-LKW nach Nordafrika (Marokko) oder Polen zu bringen, um sie dort von billigen Arbeitskräften schälen zu lassen. Dass die aufgrund ihres hohen Eiweißgehaltes empfindliche und leicht verderbliche Garnele den tagelangen Transportweg nicht ohne Konservierungsstoffe und Geschmacksverlust überstehen kann, versteht sich von selbst.
Ob nun als Suppe, Cocktail, zum Rührei auf Schwarzbrot oder klassisch als „Krabbenbrötchen“ schmecken Nordseegarnelen am besten frisch sofort nach dem Fang direkt vom Kutter.
(Erschienen in der Büsumer Kurzeitung und Kreiszeitung Diepholz.)

Garnelen-Schälanleitung (für sensible Rechtshänder)

Je frischer die Garnelen sind, umso besser lassen sie sich schälen. Frische ungepulte Krabben erkennt man an der „Knackigkeit“ des Panzers. Alte Garnelen sind weich und wabbelig. Den Garnelenkopf zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand festhalten. Mit der rechten Hand und mit Gefühl den Panzer am 3. Panzerglied (vom Kopf an gezählt) nach rechts drehen und mit leichtem Zug an der Schwanzflosse den hinteren Panzerteil vorsichtig abziehen. Das Kopfstück mit den 3 ersten Gliedern mit der linken Hand nach links wegdrehen und abziehen. Die Sandgarnele ist ein zartes Gebilde, rohe Kraft beim Pulen verträgt sie nicht. Wenn trotz aller Bemühungen die Garnele in der Mitte reißt, mit den Fingern ausschälen.

Macht süchtig:

Annas Krabbensuppe (ungefähr ein Liter)

Für 4 Personen als Vorspeise oder für zwei als Hauptgericht

750 Grammungepulte Nordseegarnelen
(Granat)
1 Glas / 400 ml fertigen Fischfond
200 mlflüssige Schlagsahne
1Hummersuppenwürfel
1Bund Dill
1Möhre
1mittelgroße Zwiebel
150 GrammKnollensellerie
4Esslöffel Olivenöl
½Zitrone
½ LiterWasser

 Zum Abschmecken: 

ca. 1 EsslöffelBrandy
1 PriseCayennepfeffer
2 SpritzerZitronensaft
evtl. Salz.

Garnelen auspulen (s. Schälanleitung). Die Garnelenschalen nicht wegwerfen. Wenn die Suppe nicht unverzüglich nach dem Kauf der Garnelen zubereitet wird, Garnelen und Schalen in den Kühlschrank stellen (haltbar ca. 30 Stunden) oder die Garnelen pulen und beides getrennt von den Schalen einfrieren. Die Garnelenschalen in 2 Esslöffel Olivenöl andünsten und mit ½ Liter Wasser ablöschen.

Fünf Minuten köcheln lassen. Garnelenschalen und Sud durch ein feines Sieb gießen, etwas abkühlen lassen und die Schalen ausdrücken. In einem Topf 2 Esslöffel Olivenöl erhitzen und das in kleine Würfel geschnittene Gemüse einschließlich eines halben Bund Dill (mit den Dillstielen) andünsten und mit dem Fischfond und dem Garnelensud ablöschen und ca. 10 Minuten köcheln lassen, bis das Gemüse butterweich gekocht ist. Während der Garzeit des Gemüses 100 ml Sahne steif schlagen und zum Schluss eine gute Prise feines Salz und die feingehackten Dillspitzen (ohne Stiele) des restlichen halben Bund Dill unterrühren. Den Topf vom Herd nehmen und mit einem Pürierstab das Gemüse in der Brühe zerkleinern 100 ml flüssige Sahne und die Hummerpaste zufügen. Sobald sich die Hummerpaste unter Rühren aufgelöst hat, mit Brandy und Cayennepfeffer abschmecken noch einmal mit dem Pürierstab kurz aufschlagen.

Den Topf auf die noch warme Herdplatte stellen und die ausgelösten Garnelen in die Suppe geben. Vorsichtig erhitzen, (nicht mehr kochen lassen, die Garnelen werden schnell trocken und faserig) und zum Schluss mit Salz abschmecken. Auf vorgewärmte tiefe Teller oder Suppenschalen geben und mit der geschlagenen Dillsahne garnieren.


Passen gut zu Krabben:

Rühreier

4 bis 5frische Hühnereier
1 Prisefeines Salz
2 EsslöffelMineralwasser mit Kohlensäure
1 EsslöffelOlivenöl

 

 

 

Zwei Teller oder Müslischalen vorwärmen. Die Eier mit dem Salz in einer Schüssel mit einer Gabel locker verquirlen. Eine beschichtete Pfanne mit dem Olivenöl auspinseln, sodass die Pfanne mit einer feinen Schicht Öl überzogen ist. Pfanne stark erhitzen (das Fett darf nicht rauchen). Kurz bevor die Eiermasse in die Pfanne gegossen wird, das Mineralwasser in die Eiermassen geben und nur noch einmal umrühren, damit die Kohlensäure sich nicht verflüchtigt. Eiermasse in die heiße Pfanne geben und einen kurzen Moment warten, bevor mit einem breiten Pfannenmesser die Masse in der Pfanne in kurzen Zeitabständen geschoben (nicht gerührt) wird. Sobald die Eiermasse beginnt, Glanz zu verlieren, sofort in die vorgewärmten Servierschalen geben.

Alternativ zum Mineralwasser können zwei Esslöffel (20 g) geschmolzene Butter in die Eiermasse gegeben werden.
Wer ohne gebratenen Frühstücksspeck nicht auskommt: In einer zweiten Pfanne den Speck auslassen. (Der Speck wartet auf die Eier, die schnell kalt werden).


Weitere leckere und einfach nachzukochende Rezepte aus Kommissar Westermanns Küche und Pantry sind in den Romanen Hanseaten-Mord und Keks-Mord abgedruckt.

  

Durchgedreht

Labskaus

Das Aussehen dieses bekanntesten norddeutschen Nationalgericht wirkt – vornehm ausgedrückt – appetitverhindernd - um nicht zu schreiben: wie schon mal gegessen. Nichtsdestotrotz: Labskausrezepturen sind bei Kennern dieser jahrhundertealten nordeuropäischen Seefahrerspeise äußerst beliebt. Ob in der Hafenkneipe, in der Betriebskantine, im Warenhaus-Bistro oder im 5-Sterne-Restaurant: in Norddeutschland ist das Labskausgericht ein Muss; es kennt keine saisonalen Einschränkungen oder Klassenunterschiede.

Bei der Zubereitung scheiden sich jedoch die Köche. Sicher ist: Kartoffeln und Rinderpökelfleisch sind der Grundstoff . Sie werden mit Zwiebeln und  Gewürzen durch den Fleischwolf gedreht. Ob der obligatorische Hering und die Rote Beete auch mit zerkleinert oder im ganzen separat zum Gericht serviert werden, ist Geschmacks- und Ansichtssache.

Das Gericht hat seinen Ursprung in den Pantrys der im 18. Jh. fahrenden Frachtseglern. Aufgrund der häufigen Scorbuterkrankungen bei Seeleuten und den damit einhergehenden Zahnverlusten und Zahnfleischentzündungen war ein nahrhaftes, weiches in Breikonsistenz angebotenes Gericht bei den Schiffsmannschaften gern gesehen. Der Hering und die Spiegeleier als Topping wären ein unglaublicher und nicht bezahlbarer Luxus gewesen, sie kamen erst mit der Salonfähigkeit des Labskaus´ auf den Teller.

Nicht geklärt ist der Namensursprung. Labs kausis ist lettisch und heißt „Gute Schüssel“. Britische Matrosen nannten es Lobscouse.abgeleitet von lob´s Course, was so viel bedeutet wie Speise für Flegel oder ganze Kerle.

Perfekt angerichtet ist das Labskaus mit Matjes, Saurer Gurke und Spiegeleiern; dazu passt als Getränk Bier.